sozialistische und sozialdemokratische Parteien

sozialistische und sozialdemokratische Parteien
sozialịstische und sozialdemokratische Parteien,
 
im weiteren Sinn alle Parteien, die sich in ihrer Programmatik auf die Ideen des Sozialismus stützen; im engeren Sinn jene Parteien, die sich zum »demokratischen Sozialismus« bekennen und in ihrer Mehrzahl in der Sozialistischen Internationale organisiert sind.
 
 
Historisch gesehen gingen die sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien - ebenso wie die Gewerkschaften - aus der Arbeiterbewegung hervor. Viele im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gegründete sozialistische Parteien in Europa folgten überwiegend dem im frühen Begriff der Sozialdemokratie angelegten Konzept politischer und sozialer Reformen; Ende des 19. Jahrhunderts öffnete sich diese aber auch den Ideen von K. Marx und F. Engels. Im Rahmen der Zweiten Internationale entwickelte sich ab 1899 eine breite, kontrovers geführte Diskussion über die Bewertung des Marxismus als des Motors gesellschaftlicher Veränderungen (Revisionismus); revolutionäre Strömungen artikulierten sich am schärfsten in den Vorstellungen Rosa Luxemburgs und Lenins.
 
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD; gegründet 1890) beeinflusste besonders Bildung und Programm der sozialdemokratischen Parteien. In Österreich-Ungarn ging aus der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (1888/89) 1911 die »Tschechoslowakische Sozialdemokratische Arbeiterpartei« unter Einfluss T. G. Masaryks hervor, aus SPÖ-Landesverbänden 1919 die selbstständige »Deutsche Sozialdemokratische Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republik« (DSAP). Darüber hinaus war die SPD von Einfluss auf die Parteienbildung in der Schweiz (Sozialdemokratische Partei der Schweiz, gegründet 1888), in den Niederlanden (heute: Partij van de Arbeid) und in den nordeuropäischen Staaten (v. a. Sozialdemokratische Arbeiterpartei Schwedens). Neben dem Erfurter Programm der SPD (1891) war der französische Sozialismus, 1905 in der Section Française de l'Internationale Ouvrière (SFIO; seit 1969: Parti Socialiste) zusammengefasst, maßgeblich für die sozialistische Entwicklung sozialistischer Parteien in Belgien (seit 1944 Parti Socialiste Belge), Italien (Partito Socialista Italiano, gegründet 1892) und Spanien (Partido Socialista Obrero Español, gegründet 1879). Die britische Labour Party 1), die von der Fabian Society beeinflusst war, bestimmte die sozialistische Tradition in Australien, Neuseeland und Irland; 1988 entstand die Social and Liberal Democratic Party (SLDP). Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) wirkte vor 1914 auf die Entstehung eines sozialistischen Parteienspektrums in Südosteuropa (z. B. in Serbien, Rumänien und Bulgarien) ein.
 
Vergleichbar dem Verhalten sozialistischer Parteien anderer Krieg führender Länder integrierte sich die einflussreiche SPD in Deutschland 1914 in die nationale Politik des »Burgfriedens«. Gegner des Reformismus organisierten sich nach 1918 unter Führung Lenins und des bolschewistischen Russlands in den kommunistischen Parteien, die in einen scharfen Gegensatz zu den sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien traten (Höhepunkt: Vorwurf des Sozialfaschismus). In den vom Faschismus und Nationalsozialismus errichteten nationalistisch-rassistisch bestimmten Diktaturen wurden alle sozialistischen Parteirichtungen zusammen mit bürgerlich-konservativen und liberalen Parteien verfolgt. Im Zuge der Errichtung kommunistischer (marxistisch-leninistischer) Diktaturen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Mittel-, Ost- und Südosteuropa (1944/45) schalteten die von der Sowjetunion gestützten kommunistischen Parteien die mit ihnen konkurrierenden sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien 1946-48 in Einheitsparteien gleich. Besonders bei deren »Stalinisierung« wurden innenparteiliche Positionen, die in den Verdacht politischer Nähe zur Sozialdemokratie gerieten, unter dem Vorwurf des »Sozialdemokratismus« kriminalisiert (u. a. Säuberungen in der SED 1950/51).
 
Unter dem Eindruck des Zusammenbruchs ihrer Regierungssysteme in Europa (1989/90) suchten sich die kommunistischen Parteien unter einem Bekenntnis zum »demokratischen Sozialismus« ein verändertes sozialistisches Profil zu geben. So entstand z. B. als Nachfolgeorganisation der SED 1989/90 die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), aus dem »Bund der Kommunisten Jugoslawiens« (BdKJ) v. a. die »Sozialistische Partei Serbiens« (SPS). Darüber hinaus gingen aus den ehemaligen KP aber auch 1990/91 durch Wandlungsprozesse sozialist. beziehungsweise sozialdemokratischer Parteien hervor (z. B. in Ungarn, Polen, Slowenien, im Baltikum), von denen einige auch wiederholt Regierungs-Veranwortung trugen. - In Europa entstanden ab 1948 übernationale Parteienzusammenschlüsse (Bund der Sozialdemokratischen und Sozialistischen Parteien der Europäischen Gemeinschaft, Sozialdemokratische Partei Europas).

Universal-Lexikon. 2012.

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